Konrad Adenauer
Politiker, * 5. 1. 1876 Köln,
† 19. 4. 1967 Rhöndorf bei Bonn; Jurist; seit 1906 Mitgl. des
Zentrums; 1906 bis 1917 Beigeordneter, 1917–1933 Oberbürgermeister
der Stadt Köln; 1918 Mitgl. des preuß. Herrenhauses, 1921–1933
Präs. des preuß. Staatsrates; 1933 von den Nationalsozialisten
amtsenthoben, 1934 u. 1944 vorübergehend inhaftiert; Mai–Okt. 1945
erneut Oberbürgermeister von Köln (von den amerikan.
Militärbehörden ein-, von den brit. abgesetzt); 1946 Vors. der CDU in
der brit. Zone, 1950–1966 Bundes-Vors. der CDU; 1948/49 Präs. des
Parlamentar. Rates; 1949 bis 1967 MdB; 1949–1963
Bundeskanzler.
Als Adenauer, der 1921 u. 1926 die ihm angebotene
Reichskanzlerschaft der Weimarer Republik nur bei Vor andensein eineristabilen
Regierungsmehrheit hatte übernehmen wollen, am 15. 9. 1949 73jährig
die Regierungsverantwortung der BR Dtschld. übernahm, war es sein Ziel, dem
dt. Namen wieder Vertrauen u. einem neuen dt. Staatswesen
Handlungsfähigkeit, Gleichberechtigung u. Sicherheit zu erwerben. Unter dem
Eindruck der Isolierung, überzeugt von einer Bedrohung durch die
Sowjetunion, betrieb Adenauer, 1951–1955 zugleich Außen-Min., von
vornherein u. konsequent eine Politik der Westintegration (1950/51 Europarat u.
Montanunion; 1952 Dtschld.-Vertrag; 1954/55 WEU u. NATO, Wiedererlangung der
Souveränität; 1957 EWG u. Euratom).
Das Kernstück dieser Politik war die
Aussöhnung mit Frankreich (1963 dt.-französ. Freundschaftsvertrag mit
de Gaulle) als Voraussetzung für einen den Nationalismus überwindenden
Zusammenschluß des freien Europa im Rahmen eines atlant. Bündnisses
mit den USA. Die westl. Allianz, der Adenauer auch einen dt.
Verteidigungsbeitrag zur Verfügung stellte (1950 Angebot an die
Westmächte, 1952–1954 EVG, 1955 NATO-Mitgliedschaft u. Aufbau der
Bundeswehr), sollte der BR Dtschld. die Teilhabe an einer »Politik der
Stärke« ermöglichen, von der allein er sich die
Gewährleistung der westl. Sicherheit u. eine Verständigung über
die dt. Frage versprach. Wiedervereinigung hieß für Adenauer
»Einheit in Freiheit«, wobei ihm der höhere, unabdingbare Wert
die Freiheit war, die es in der BR Dtschld. zu erhalten u. für ganz
Dtschld. zu erwirken galt. Bis dahin sollte einzig die aus freien Wahlen
hervorgegangene Regierung der Bundesrepublik für Dtschld.
völkerrechtlich sprechen u. handeln. Diese »Alleinvertretung«
wurde 1951 bei der ersten Revision des Besatzungsstatuts von den
Westmächten anerkannt u. seit 1955/56 entspr. der sog. Hallsteindoktrin
gegenüber den Staaten Osteuropas u. der Dritten Welt praktiziert. Nur mit
der Sowjetunion selbst vereinbarte Adenauer 1955 die Aufnahme diplomat.
Beziehungen u. erreichte dabei die Freilassung 10 000 dt. Kriegsgefangener.
Neben der Verankerung der BR Dtschld. im westl. Bündnis war die
Wiedergutmachung an Israel (dt.-israel. Abkommen 1952) ein besonderes Anliegen
Adenauerscher Außenpolitik.
Innenpolitisch ist die »Ära Adenauer«
gekennzeichnet durch die Errichtung eines demokrat. Staatswesens, in dem sich
die Persönlichkeit des Kanzlers deutlich ausprägte
(»Kanzlerdemokratie«), sowie durch den wirtschaftl. u. sozialen
Wiederaufbau im Zeichen der »sozialen Marktwirtschaft«, der im Ausland
als dt. »Wirtschaftswunder« erschien.
Adenauer, der dreimal (1953, 1957 u. 1961) zum Kanzler
wiedergewählt wurde, errang 1957 mit der CDU/CSU die absolute Mehrheit im
Bundestag u. hatte damit den Gipfel seiner Kanzlerschaft erreicht.
Außenpolitisch brachten die folgenden Jahre Rückschläge
(1958–1962 Berlinkrise; Stagnation der europ. Einigung; Nachlassen der
Übereinstimmung mit den USA seit dem Tod Außen-Min. J. F. Dulles`
1959, bes. seit dem Regierungsantritt Kennedys 1961; Hinnahme der Berliner
Mauer). Innenpolit. Ereignisse (Adenauers Bewerbung um die Präsidentschaft
u. ihre Zurücknahme 1959; Mißerfolg bei Gründung der
»Dtschld.-Fernseh-GmbH.«, die 1961 vom Bundesverfassungsgericht
für verfassungswidrig erklärt wurde; 1961 Verlust der absoluten
Mehrheit; Adenauers Kampf gegen die Kanzlerschaftskandidatur Erhards; 1962
»Spiegel-Affäre«) zeigten einen Autoritätsschwund an, so
daß Adenauer schließlich auf Drängen des Koalitionspartners
FDP, aber auch starker Kräfte seiner eigenen Partei zurücktrat (15.
10. 1963). – »Erinnerungen«, 4 Bde. 1965–1968;
Rhöndorfer Ausgabe (Briefe u. a. Dokumente), 8 Bde.
1983 ff.