BIO-ETHIK
„Dürfen wir alles, was wir
können?“
Referat Religion 2000
Julia Nösterer, 8b.
- Von der
Entdeckung und Erfindung – Von der Natur zur Technik – Vom
Naturphänomen zum künstlichen
Produkt
Das Zusammenspiel von Mikroskopen, Messgeräten, von
Ultraschalltechink, Computertechnik und chemischen Analysen ermöglicht ein
Wissen über den menschlichen Körper wie nie zuvor und Eingriffe, die
vor wenigen Jahrzehnten undenkbar waren. Eine andere Grundlage der modernen
Medizin sind die Erkenntnisse der Molekulargenetik, einem Zweig der Biologie.
Die medizinischen Techniken, die auf der Kombination der modernen Technologien
mit der Genetik beruhen, werden in Fachkreisen auch mit dem Begriff
„Biomedizin“ zusammengefaßt. Dazu gehören zum Beispiel
vorgeburtliche Diagnosen und Operationen, Organtransplantationen, Techniken der
künstlichen Befruchtung und vieles mehr.
Hand in Hand mit der ansteigenden Vielfalt der
Möglichkeiten geht die Notwendigkeit der Beantwortung der
Fragen:
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Was soll man tun?
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Was darf man tun?
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Darf man alles tun, was man tun kann?
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Wo sind die Grenzen der Forschung zu ziehen?
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Die Grundlagen der „Biomedizin“ in drei
Schritten
- Die Veränderung, ja „Verbesserung“ der
Natur durch den Menschen ist nichts Neues. Seit Jahrtausenden werden Bakterien,
Pilze, sowie pflanzliche oder tierische Zellkulturen verwendet, um Bier,
Käse, Wein und andere Lebensmittel herzustellen. Das sind
bio-technologische Vorgänge unter Verwendung vorhandener genetischer
Ressourcen.
- Der nächste Schritt, der erst gegen Mitte unseres
Jahrhunderts gesetzt wurde, ist die
Molekularbiologie:
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1944 wurde die DNA,
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1953 die Doppelhelix unserer genetischen Erbinformation dargestellt
und
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1961 wurde festgestellt, dass unser gesamter genetischer Code aus nur
vier Basen besteht. Man lernte, diese
auseinanderzuschneiden und wieder zusammenzusetzen. Damit wurde der
Übergang von der erklärenden, konstruierenden Wissenschaft gesetzt.
Auf Grund dieses Wissens können Artgrenzen überschritten
werden.
- Die Gentechnologie, der dritte Schritt,
ermöglicht Neukombinationen, gesteuerten Transfer von Erbmaterial,
künstlich form-, konstruier- und reproduzierbare Lebewesen. Die
Einsatzgebiete sind:
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Mikroorganismen (z.B. ölfressende Bakterien gegen
Ölteppiche)
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Pflanzenzucht (z.B. herbizidresistente Pflanzen)
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Tierzucht (z.B. Krebsmaus, die Klonschafe Dolly, Tracy etc., die Milch mit
bestimmter, genau definierter Eigenschaft erzeugen, die
als Medikament
verwendet wird).
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Auf dem Weg zum Menschen nach Maß
sind folgende Schritte
denkbar:
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Gentechnische Herstellung von Medikamenten
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Gentherapie zur Behandlung genetisch bedingter Erbkrankheiten
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Gentherapie eines Gendefekts am ungeborenen Kind
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Keimbahntherapie bei schweren Krankheiten
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Keimbahntherapie bei allgemeinen Krankheiten
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Keimbahntherapie bei Normabweichungen wie Fettleibigkeit, bestimmter
Körpergröße
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Keimbahntherapie zur Veränderung der menschlichen Gattung, z.B. zur
Verbesserung der Intelligenz oder zur Ausmerzung
von Depression und
Aggression.
WAS IST
BIO-ETHIK?
Ethik ist ein Zweig der Philosophie – die
Sittenlehre. Bio bedeutet Leben. Das heißt also, Bio-Ethik ist die
sittliche Betrachtung des Lebendigen. Sie sollte unüberschreitbare Normen
festlegen und beschreiben.
Die bekanntesten Philosophen, die sich als Bio-Ethiker
bezeichnen, folgen der Gedankenschule der Utilitaristen (begründet durch
J.St. Mills und John Locke, England, 18.Jhdt.) Die Werturteile richten sich nach
dem, was nützlich ist. Im Utilitarismus wird größtmöglicher
Nutzen für möglichst viele verlangt.
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„Nicht alle Menschen sind Personen“
Im normalen Sprachgebrauch setzen wir Mensch und Person
gleich. Für die Bio-Ethiker hingegen sind nicht alle Menschen auch
Personen:
Die Bio-Ethik bewertet den Menschen nach seiner
derzeitigen und künftigen Leistungsfähigkeit und unterscheidet
zwischen Mensch und Person. Das bedeutet, dass dieser Denkrichtung zufolge nicht
jeder Mensch ein Lebensrecht hat, sondern nur der, der auch Person ist.
Um zu der Gruppe der Personen zu gehören, muss man über
Rationalität und Selbstbewußtsein verfügen. Man nennt dies den
bewusstseins-theoretischen Ansatz.
In der Bio-Ethik wird Personsein von Eigenschaften und
Qualitätsmerkmalen abhängig gemacht. Die Bedingungen, an die die
Bio-Ethiker das Menschsein knüpfen sind u.a. Bewusstsein und
Überlebensinteresse, Gesundheitszustand und
Alter.
Rationalität und Selbstbewusstsein besitzen dieser
Denkweise zufolge weder alle menschlichen Individuen, noch sind sie auf
menschliche Individuen beschränkt. Nach Auffassung Singers, dem weltweit
bekanntesten Vertreter der Bio-Ethik, wären demnach zum Beispiel auch
Menschenaffen Personen. Umgekehrt gäbe es dieser Denkweise zufolge einige
menschliche Individuen, die keine Personen sind, wie etwa Föten,
Neugeborene oder komatöse Menschen. So kommt Singer zu einer Aussage wie
folgender:
„Die Tötung eines Schimpansen ist
schlimmer als die Tötung eines schwer geistesgestörten Menschen, der
keine Person ist...“
Oder folgende Überlegung von Sandoe und Kappel,
beide lehren an der Universität in Kopenhagen (1994):
„Nach unserer Auffassung scheint es ganz
natürlich, zu sagen, daß die Organe lebendiger Personen
lebenswichtige Gesundheits-Ressourcen sind, die wie alle anderen lebenswichtigen
Ressourcen gerecht verteilt werden müssen. Wir könnten uns daher
gezwungen sehen, darauf zu bestehen, daß alte Menschen getötet
werden, damit ihre Organe an jüngere, kritisch kranke Personen, umverteilt
werden können, die ohne diese Organe bald sterben müßten.
Schließlich benutzen die alten Menschen lebenswichtige Ressourcen auf
Kosten von bedürftigen jüngeren Menschen.“
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Bio-Ethik contra jüdisch-christliche Ethik
Bio-Ethik steht im krassen Gegensatz zu der
christlich-jüdischen Denkweise, die unsere Kultur jahrtausendelang
geprägt hat: Mensch ist, wer eine menschliche Mutter und einen menschlichen
Vater hat, und das Lebensrecht ist nicht abhängig von
Qualitätsmerkmalen, sondern eine Selbstverständlichkeit.
Das Denksystem der Bio-Ethiker ebnet erschreckenden
Entwicklungen den Weg. Wann immer in der Vergangenheit Gruppen von Menschen
massiv unterdrückt oder gar beseitigt werden sollten, hat man ihnen das
Menschsein abgesprochen. Sie wurden zu Untermenschen oder zur Sache, über
die man verfügen kann, erklärt (z.B. Indianer, Sklaven, Juden...). Und
stets hat es eine große Anzahl von Menschen gegeben, die nichts daran
fanden.
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Wozu Bio-Ethik?
Die hochtechnisierte Wissenschaft auf humanbiologischem
Gebiet hat Interesse, verschiedene Behandlungsmethoden auszuprobieren und
anzuwenden, die unserem moralischen Verständnis zuwider laufen. Einige
wenige Beispiele:
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Verwendung von fötalen Eierstöcken zur Züchtung von Eizellen. Das
bedeutet, dass ein Kind geboren werden kann, dessen
genetische Mutter
nie gelebt hat, weil sie abgetrieben
wurde.
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Ein Paar, oder auch eine alleinstehende Frau, kann einen Embryo
tieffrieren lassen, um in späteren Jahren, wenn die
berufliche Karriere geschafft ist, sich diesen einpflanzen lassen. Dabei
würde die Minderung der Qualität bzw. die geringere Chance der
Befruchtung umgangen.
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Verwendung von embryonalem Mittelhirngewebe zur Behandlung von
Parkinson-Patienten.
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Verwendung verschiedener Organe von Embryonen für die Behandlung
einer ganzen Reihe von Krankheiten anderer
Patienten.
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Leben ohne Leiden?
Vorgebliches Ziel mancher Biotechnologen ist, uns in
eine „Zukunft ewigen Lebens und Leidfreiheit? zu führen. Gesundheit
und langes Leben werden in diesem Zusammenhang zu den obersten Lebenszielen
erklärt, und es erstaunt wohl nicht, dass die meisten Menschen sich damit
gut identifizieren können. Wenn es machbar werden sollte, dann aber sicher
nur für jene, die genügend Geld haben, es sich zu leisten. Elving
Anderson:
„Die Erde braucht nicht noch mehr Menschen,
aber vielleicht braucht sie bessere Menschen, Menschen, die gegen Krankheiten
resistenter sind, genetisch hochwertiger, intelligenter, sympathischer,
moralischer, spiritueller, besser eingestellt und fähig, mit ihrer Umwelt
zurechtkommen. Mit unserem rapid zunehmenden Wissen über die menschliche
Mikrosphäre und der Entwicklung unserer Technologie sind wir in der Lage,
unsere Nachkommen zu verbessern.“
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Wo bleiben alte und kranke Menschen?
Kranke, schwache, pflegebedürftige Menschen
dürfen nicht mehr mit selbstverständlicher Unterstützung und
Solidarität rechnen. Nach Möglichkeit sollen Kinder vor der Geburt
untersucht werden. Wenn sie den gesundheitlichen Erwartungen nicht entsprechen,
soll das Kind vor der Geburt „beseitigt“ werden. Ja, auch schon
geborene Kinder sollen zuerst begutachtet und wenn sie nicht den Erwartungen der
Eltern oder der Gesellschaft entsprechen, getötet werden.
Ungeborene Kinder sowie behindert geborene oder schwer
erkrankte Neugeborene, geistig schwer behinderte oder
nicht-einwilligungsfähige Menschen sollen für Forschungszwecke bzw.
Organ- oder Gewebe-Entnahme zur Verfügung stehen – fordern zumindest
die Bio-Ethiker.
Die Natur und auch der Mensch werden als technisch
reproduzierbare und handhabbare Ansammlung von Molekülen, als eine
Aneinanderreihung von Gegen, dargestellt. Der Organismus als Genbox. Jede
geistige Dimension wird außer acht gelassen, der Geist, der zwar erfahren,
aber nicht wissenschaftlich ermittelt werden kann, wird weggewischt. Diese Ethik
ist eine Dienstleistungsphilosophie für einen rein kapitalistisch und
ausschließlich materialistisch orientierten Markt.
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Literatur:
i „Bioethik“
(aktion leben österreich)
i
„Praktische Ethik“, Singer Peter, Stuttgart 1984
i
Internet