Wer ist eigentlich
Gott?
- eine Illusion oder Wirklichkeit
- der alliebende Vater oder der
“grausame Jäger”(Nietzsche)
- Opium oder das Gewissen
- ein höheres Wesen oder die Tiefe der
Welt
- die Weltordnung oder das Gute im
Menschen
- Eine “Fröhlichkeitspille”
(G.Benn) oder das blindzuschlagende Schicksal
- Eine Person oder ein anderes Wort für
Mitmenschlichkeit
- Der “Allumfasser” (Goethe) oder das
unfaßliche Geheimnis
- Der “Dunkle Unbewußte”
(Rilke) oder der Aufheller dunkler Stunden
- Ein Grenzwort für alles Unbegreifliche oder
theologisches Spielzeug
- Die Verabsolutierung menschlicher Süchte und
Sehnsüchte oder der unverrechenbare Rest unseres Lebens
- ein Geist oder der , der in Jesus Christus
Fleisch geworden ist?
Wer ist dieser Gott? Dieser Frage kann niemand ausweichen, ganz gleich ob
er Gott bejaht oder verneint. Die Frage nach Gott ist keine akademische Frage.
Sie ist die Frage des Menschen nach Grund und Sinn seiner Existenz. Theismus
(=Gottesglaube) und Atheismus kommen in der gleichen Weise von ihr nicht
los.
Der Atheismus
kommt aus dem Griechischen:
atheos ist der, der ohne theos, ohne Gott
ist
Für viele Menschen ist Gott ein “überflüssiges
Relikt” aus einer vergangener Epoche. Ein Erinnerungsstück-
gewiß, das mitunter sogar liebevoll aufbewahrt und demgegenüber man
so etwas wie eine ironische Treue empfindet. Aber eben etwas, was man nicht mehr
gebrauchen kann im Leben.
Die moderne industrialisierte Welt kann sich aus sich selber erklären.
Sie bedarf zu ihrer Erklärung keiner Gottesvorstellung mehr. Sie kommt ohne
Gott aus.
Die Technik , die alles machbar macht, ersetzt heute das Gebet. Wo der
vorindustrielle Mensch auf Gottes Hilfe im Gebet angewiesen war,
verläßt sich der moderne Mensch auf ein selbstgeschaffenes
Sicherungssystem, mit dem er sich vor Unglück und Not schützt, vom
Blitzableiter bis hin zur Krankenversicherung und zum Pensionsanspruch.
Weil Gott ohnehin überflüssig ist, macht man sich gar nicht mehr
die Mühe ihn abzulehnen.
Man spricht vom praktischen oder
stillschweigenden Atheismus.
Anders der dezidierte oder
Überzeugungsatheismus, der die Gottesvorstellung
ausdrücklich bekämpft und den praktischen Atheismus zu Ende denkt.
Er bestreitet nicht nur - wie jener- die Brauchbarkeit Gottes, sondern
Gott selber. Die Anfänge des Überzeugungsatheismus liegen in der
Aufklärungszeit (Vernunftzeitalter 17.und 18.Jhdt.).
Erbarmungslos brach er im 19. und 20. Jahrhundert in die Umzäunungen
der traditionellen Theologie ein.
Er war die schärfste Herausforderung des Christentums seit seinem
Bestehen. Es wurden Antworten gegeben auf Fragen die gar nicht gestellt wurden,
und Fragen, die gestellt wurden, nicht beantwortet.
Früher sahen Theologen und Kirchenmänner im Atheismus etwas rein
Negatives. Sie unterstellten ihm bösen Willen, Dummheit, Sünde oder
etwas Kriminelles und Dämonisches. Heute haben nicht wenige, nicht zuletzt
auf Grund ihrer persönlichen Begegnung mit Atheisten ein gerechtes
Atheismusbild. Nicht wenige Atheisten und Christen bauten ihre Vorurteile ab und
schlossen sich zusammen im gemeinsamen Kampf für eine menschliche Welt. Sie
erkennen den Atheismus relativ an und geben zu, daß er gewisse Verdienste
hat und Positives leisten kann.
Die dialogische Offenheit ist auf seiten der Christen und Atheisten, wenn
auch aus verschiedenen Motiven, gewachsen.
Atheismus und seine
Einteilung
Wir gehen von sieben Grundtypen des Atheismus aus. Diese
Einteilung erfolgt weniger nach historischen, als nach inhaltlich –
weltanschaulichen Gesichtspunkten.
- DIE ABLEHNUNG GOTTES IM NAMEN DER VERNUNFT Der
Rationalistische Atheismus
- DIE ABLEHNUNG GOTTES IM NAMEN DER NATUR
Der Naturalistische Atheismus
- DIE ABLEHNUNG GOTTES IM NAMEN DES MENSCHEN Der
Marxistische Atheismus
- DIE ABLEHNUNG GOTTES IM NAMEN DES LEBENS Der
Vitalistische Atheismus
- DIE ABLEHNUNG GOTTES IM NAMEN DER MÜNDIGKEIT Der
Psychologische Atheismus
- DIE ABLEHNUNG GOTTES IM NAMEN DER FREIHEIT Der
Existentialistische Atheismus
- DIE ABLEHNUNG GOTTES IM NAMEN
DER
LEIDENDEN KREATUR
1. DIE
ABLEHNUNG GOTTES IM NAMEN DER VERNUNFT
Der Rationalistische Atheismus
Ist Gott ein Hirngespinst oder Wirklichkeit? Kann man Gottes(Nicht-)
Existenz mit der Vernunft beweisen? Oder entzieht er sich dem Zugriff der
Vernunft? Kann der moderne Mensch, für den alles erklärbar, erreichbar
und machbar geworden ist, nicht auf die Hilfskonstruktion “Gott”
verzichten, mit der man früher die Welt gedeutet und bewältigt hat?
Der Rationalismus : Wahr ist nur, was sichtbar, greifbar und
beweisbar ist.
Bertrand Russell:
Gott als Fesselung der freien Intelligenz
Der englische Philosoph und Mathematiker führt die Religion vor allem
auf die Angst zurück. Russell schreibt in seinem Buch ‚Warum ich
kein Christ bin‘: “Angst ist die Grundlage der Religion”
“Die Welt braucht einen furchtlosen Ausblick auf die Zukunft und eine
freie Intelligenz.”
Die Gottesbeweise ,die die christliche Theologie immer wieder wie eine
Pflichtübung absolviert , überzeugen nicht – meint Russel.
Der Beweis aus der ersten Ursache argumentiert folgendermaßen:
Es gibt in der Welt auf Schritt und Tritt Bewegung. Was bewegt wird, wird von
einem anderen bewegt, das seinerseits wieder von einem anderen bewegt wurde und
so fort. Alle Ursachen der Welt sind ihrerseits von anderen Ursachen
abhängig und die wieder von anderen und so fort. Da das aber nicht ins
Unendliche weitergehen kann, muß es eine erste unverursachte Ursache
geben: GOTT. Russel meint, dieser Ursachenbeweis sei unvernünftig. Denn auf
die Frage: Wer hat die Welt erschaffen, gibt es keine Antwort, da diese sofort
die weitere Frage nahelegt: “Wer hat Gott erschaffen?” Wenn man
davon ausgeht, das alles eine Ursache haben muß- wie der Ursachenbeweis
– dann muß auch Gott eine Ursache haben . Wenn es aber umgekehrt
etwas geben kann, das keine Ursache hat, kann das ebenso die Welt wie Gott sein,
so daß der Ursachenbeweis hinfällig ist. Russel meint noch: “
Ein Verfall des
dogmatischen Glaubens kann nur Gutes hervorbringen – ganz gleich , ob
er christlichen oder kommunistischen Ursprungs ist. Was die Welt braucht ist
nicht ein Dogma, sondern eine Bejahung der Wissenschaft......” Richtwert
und Norm ist für Russel allein die Vernunft und die Wissenschaft.
Es gibt kein Gottesbeweise, sondern nur Hinweise!
Martin Luther: “ Die Vernunft ist viel zu gering, als daß sie
Gottes Majestät begreifen könnte” Das gilt für die Beweise
seiner Existenz gleichermaßen wie für die seiner Nicht-Existenz
Gott ist “Übervernünftig” ( K.Jaspers): “ Ein
bewiesener Gott ist kein Gott.” Gott ist für die Vernunft
unangreifbar.
Sowohl die Religion als auch die Vernunft haben Angst- und
Unterdrückungsapparate geschaffen, so sehr auch beide von ihrem Wesen her
den Menschen frei machen wollten:
Der Rückfall in die Angstreligion:
- Knebelung der Geistesfreiheit
- Zwangstaufen
- Inquisition
- Tötung Andersdenkender (Kreuzzüge, Religionskriege
|
Verkehrung der Vernunft:
- Französische Revolution
- Straflager
- I./II. Weltkrieg, Atombombe
- Menschenzüchtung
- Kommunismus
|
2. DIE
ABLEHNUNG GOTTES IM NAMEN DER NATUR
Der Naturalistische Atheismus
Ludwig Feuerbach: Gott als Wunschprojektion des Menschen
Ludwig Feuerbach ( 1804 –1872) war zusammen mit Karl Marx
Schüler des
Philosophen Hegel, die dessen Idealismus (Anschauung, die in der Idee
die wahr Wirklichkeit sieht) mit aller Schärfe bekämpften.
Die Natur als Ersatzgott
Feuerbach ist Anhänger des Materialismus. Materialismus wird
im Gegensatz zum Idealismus als jene Anschauung bezeichnet, für die nur die
körperlich- materielle Welt realistisch ist. Der Materialismus führt
automatisch zum Atheismus, denn in der materialistischen Denkweise gibt es keine
geistige Welt und wenn Gott Geist ist, gibt es keinen Gott. Es existiert nur
das, was durch die Natur erklärbar ist. Somit nennt Feuerbach den
Materialismus auch Naturalismus , denn die Natur nimmt für ihn den
Platz ein, den bei uns Gott hat.
Gott als Ebenbild des Menschen
Nach Feuerbach ist nicht der Mensch das Ebenbild Gottes, wie es in Gen 1,27
heißt, sondern Gott Ebenbild des Menschen. Gott ist nur ein Wunschgebilde,
ein Ideal-Ich , das wir Menschen sein möchten, aber nicht sind. Hätte
der Mensch keine Wünsche, so hätte er auch keine
Götter.
Aus Christen Menschen machen
Laut Feuerbach ist das Ziel des Christentum die Erfüllung der
unerfüllbaren Wünsche, während die erfüllbaren Wünsche
auf der Strecke bleiben. Damit wurde dem Menschen durch das Vertrauen auf Gottes
Hilfe das Vertrauen an seine eigenen Kräfte und durch den Glauben an ein
besseres Leben im Himmel der Glaube an ein besseres Leben auf Erden genommen. So
soll der Mensch an sich selbst glauben, statt an Gott und an Stelle der
Gottesliebe soll die Menschenliebe treten.
Ernst Haeckel: Gott als Welt Nr.2
Haeckel, ein Naturwissenschaftler (1834-1919) vertritt einen
”Monismus”, d.h. er geht von der Meinung aus, daß es nur eine
einzige Welt gibt, nicht noch eine zweite übernatürliche
Welt.
Der Monismus und das Christentum stehen wie zwei Pole gegenüber, denn
der Monismus sagt, wir sterbliche Menschen sollen die Herrlichkeit und
Schönheit dieses Planeten genießen, so lange wir leben. Laut Haeckel
lehrt das Christentum im Gegensatz dazu, die Erde ist ein Ort voller Qual, wo
wir durchgehen müssen, um das glückselige Leben im Himmel zu
bekommen.
Was heißt eigentlich Himmel?
Im NT ist das Wort “Himmel” ein anderes Wort für Freude
(Mat.25,21) und grenzenloses Glück(Mat.5,3-10). “Himmel” ist in
der Bibel auch ein anderes Wort für Gottesgemeinschaft. Da wir jetzt in der
Gemeinschaft Gottes leben, leben wir jetzt schon im Himmel.
3. DIE
ABLEHNUNG GOTTES IM NAMEN DES MENSCHEN
Der marxistische Atheismus
Karl Marx: Gott als Opium für das Volk
Karl Marx (1818-1883) war Schüler von Hegel, dem Begründer des
Idealismus.
Im Idealismus steht der Geist und die sittliche Idee im Mittelpunkt. Der
Materialismus umgekehrt nur dem Stofflich - Materiellen eine Realität
zubilligt.
Marx ist –ähnlich wie Feuerbach- Materialist.
Was heißt überhaupt Marxismus?
Die Pariser Manuskripte sind nach vielen Forschern der Schlüssel zum
Denken von Marx. Zentralbegriff der Manuskripte ist die Entfremdung. Marx
verwendet den Begriff in der Form, daß der Arbeiter in den fremden Besitz
des Kapitaleigners übergeht . Die Wurzel der Entfremdung ist das
Privateigentum, und dies kann durch gewaltsame Revolution abgeschafft werden.
Sein Ziel ist daher der Kommunismus.
Warum ist der Marxismus atheistisch ?
Der Marxismus ist deshalb atheistisch , weil ein Jenseits – Gott den
Menschen von seiner Diesseits- Aufgabe ablenkt. Die Aufgabe des Menschen auf
Erden ist nach Karl Marx ein Paradies auf Erden zu schaffen und zwar durch
gewaltsame Revolution. Außerdem erlöst sich der Mensch nach Marx
selbst.
ERNST BLOCH : Gott als Vergangenheit
Die Philosophie von Ernst Bloch geht von der Projektionstheorie Feuerbachs
aus. Nach dieser Theorie ist Religion ein an den Himmel projiziertes Spiegelbild
des “ Untertanenstaates” der Menschen. Es ist gleichzeitig eine
Projektion nach hinten.
Neu gegenüber Marx ist Blochs Sicht des Christentums und der Bibel.
Atheismus und Christentum schließen sich für ihn nicht – wie
für Marx – aus, sondern ein. Er sagt: “ Nur ein Atheist kann
ein guter Christ sein , nur ein Christ kann ein guter Atheist sein.” Das
Christentum ist im Grunde auch atheistisch, weil es zukunftsorientiert
ist.
Der biblische Atheismus setzt Jesus an die Stelle Gottes. Jesus möchte
das Bestehende verändern und wiedersagt somit Gott, der ja das bestehende
geschaffen hat. Jesus ist herrschaftsfrei und das ist unvereinbar mit Gott dem
Herrscher. So ist auch Jesus ein Atheist.
4. DIE ABLEHNUNG GOTTES IM NAMEN DES
LEBENS
Der Vitalistische Atheismus
Friedrich Nietzsche: Der Gott am
Kreuz ist ein Fluch auf das Leben
Friedrich Nietzsche ( 1844-1900) zeigt sich stark beeinflußt
von Schopenhauers Willensphilosophie(“Die Welt als Wille und
Vorstellung”),
aber auch von Max Stirners Ich- Philosophie ( “ Mir geht nichts
über Mich”).
Im Gegensatz zu den anderen Atheismustypen ist Nietzsches
Atheismus
antihumanistisch und “egoistisch” orientiert.
Der Übermensch als Ersatzgott
Der Mensch wurde nach Nietzsche deshalb zum
Übermenschen, weil der Mensch niemanden ertragen kann, der über ihm
steht. Deshalb wurde auch Gott vom Menschen getötet. Durch den
Übermensch soll der Mensch überwunden werden. Der Übermensch
gleicht Gott. Durch den Übermenschen wurden neue Thesen
entwickelt:
“Gut ist, was stark macht; böse ist, was schwach
macht.”
Das Christentum als Verschwörung gegen das Leben
Für Nietzsche ist das Leben das Gegenteil von Gott . Gott wird vom
Leben strikt abgelehnt.
GOTT: Widerspruch zum Leben
Mißgönnt den Menschen das Leben
Verlangt vom Menschen Erniedrigung
Duldet Schwache und verabscheut Starke
Das Christentum ist ein Attentat auf das Leben.
Gott als Erfindung der Schwachen
Schwache Menschen sind ständig auf der Suche nach einem
übermenschlichen Helfer. Sie fanden ihn. Der Helfer ist Gott.
Sozusagen ist Gott ein Lückenbüßer für Schwache bzw.
einer, der für die Schwachheit der Menschen geradesteht . Darum ist auch
die Religion ein Schwächegefühl.
Außerdem sagt Nietzsche, beginnen die Menschen erst zu glauben , wenn
ihnen das Wasser bis zum Hals steht.
Was heißt Leben?
Nach Nietzsche ist das Leben ein Bohren der Lust
(Sexualität)
Jesus hätte glücklicher gelebt, wäre er all dem guten
ferngeblieben. Denn ihm wurden die Guten ( Christen) zum Verhängnis, da
diese bekanntlich gerne morden. Eigentlich handeln Christen nicht so, wie sie
sollten.
Der unbekannte Gott
Für Nietzsche ist der unbekannte Gott das Schicksal.
Gebet an den unbekannten Gott:
“Du bist der grausame Jäger. Nicht töten willst du, nur
martern.”
5. DIE ABLEHNUNG GOTTES IM NAMEN DER
MÜNDIGKEIT
Der Psychologische Atheismus
Im psychologische Atheismus wird Gott als überhöhter Vater
verstanden, der den Menschen zeitlebens entmündigt und somit seine
Entwicklung zum Erwachsenen hemmt.
Vertreter: Sigmund Freud
Erich Fromm
Alexander Mitscherlich
- Sigmund Freud
(1856 – 1939) : Gott als
Zwangsneurose
- Begründer der Psychoanalyse
- Entdecker des Unbewußten
- Entwickler eines
Persönlichkeitsmodells
Freuds Menschenbild
ES ( Lustprinzip)
ICH (Realitätsprinzip)
ÜBER-ICH (Moralitätsprinzip)
Das ÜBER-ICH ist die Kontrollinstanz im Menschen. Dadurch
verdrängt das Ich die Triebe die im Lust bereiten würden .
Für Freud ist die Religion eine Illusion aus der Kindheit und
Erfüllung der ältesten, stärksten und dringendsten Wünsche
der Menschen. Die Fortdauer dieser kindlichen Hilflosigkeit wird durch das
Festhalten an der Existenz eines mächtigen Vaters verursacht. Er sieht
Religion als Erziehungsmittel, das in bestimmten Phasen der Entwicklung
notwendig ist.
Für Freud ist Religion auch eine Erinnerung an den ermordeten Urvater
der zu einem Gott überhöht wurde. Diese Erinnerung hat für Freud
Zwangscharakter.
Er bringt Religion mit der Neurose in Zusammenhang. So entspricht dem
Schuldbewußtsein des Zwangsneurotikers das Sündenbewußtsein des
Frommen und somit wird die Religion einer Zwangsneurose gleichgestellt. Erst die
Befreiung von dieser Neurose läßt den Menschen mündig
werden.
- Erich Fromm
(1900 – 1980): Gott als kollektive
Phantasiebefriedigung
Für Fromm ist die Religion die älteste und kollektive
Phantasiebefriedigung die eine dreifache Funktion hat:
- Die Funktion des Trostes
- Die Funktion der einwirkenden Beeinflussung im
Sinne ihres psychischen Abfindens mit ihrer Klassensituation
- Die Funktion der Entlastung vom
Schuldgefühl gegenüber der Not der von ihr
Unterdrückten
- Alexander Mitscherlich
(1908-1982): Der Abschied vom
Vater
Der Psychologe und Mediziner war in seinem Denken stark von Freud
geprägt. Er befürwortete die Entwicklung zur vaterlosen Gesellschaft,
obwohl sie auch Nachteile hat.
Durch die Industrialisierung wurde die bisherige Vaterrolle immer mehr
zerstört.
Der göttliche Vater verschwindet immer mehr, sowie der Vater in den
Familien immer mehr verschwindet. In diesem vaterlosen Klima stirbt die Religion
von selber ab .
Der moderne Mensch setzt dem Gottesglauben keinen bewußten Unglauben
entgegen.
6. DIE ABLEHNUNG GOTTES IM NAMEN DER
FREIHEIT
Der Existentialistische
Atheismus
Existentialismus ist eine Weltanschauung, die die Existenz des Menschen
– also sein Dasein – in den Mittelpunkt des Denkens
rückt.
Er ist eher individualistisch ausgerichtet d.h. der Mensch wird nicht als
Glied der Gesellschaft, sondern als der einzelne gesehen.
Jean-Paul-Sartre: Wenn Gott existiert, ist
der Mensch ein Nichts
Der französische Schriftsteller und Philosoph (*1905) ist der
Hauptvertreter
des französischen Existentialismus.
- Wenn Gott nicht existiert, ist alles erlaubt (
Dostojewski)
Existiert Gott nicht, ist der Mensch frei. Der
Mensch ist sein eigener Schöpfer er bestimmt sich selbst und wird nicht
vorausbestimmt. Der Mensch ist, was er aus sich macht.
Der Atheismus entwendet
dem Menschen alle Stützen, er ist ohne Gott verlassen. Vor allem findet er
keine Entschuldigungen. Er muß selber für alles geradestehen. Wenn
Gott nicht existiert, kann der Mensch sich nicht mit “Geboten
Gottes” rechtfertigen oder entschuldigen. Er ist sein eigener Gesetzgeber
und hat es dadurch viel schwerer. Er ist “ verurteilt, frei zu
sein”.
- Die Unaufrichtigkeit als einzige
Sünde
Für Sartre gibt es eigentlich nur eine
Sünde , die Unaufrichtigkeit- wenn der Mensch darauf verzichtet, er
selber zu sein, wenn er sich bürgerliche Konventionen aufzwingen
läßt, wenn er sich unfrei machen läßt.
Sartre hat sich selber als Antibürger verstanden- den ihm zuerkannten
Nobelpreis für Literatur lehnte er ab.
Albert Camus (1913- 1960): Man muß
kämpfen, nicht auf die Knie fallen
“ Der Mensch ist die Gegenformel zu Gott, der aus eigener
Verantwortung lebt.”
Daher wendet er sich gegen den stellvertretenden Sühnetod Christi
–
jeder Mensch muß für sein Tun die Verantwortung
übernehmen.
Sisyphus, eine griechische Sagengestalt, ist nach Camus das Urbild des
Existentialisten. Sisyphus wurde dazu verdammt, in der Unterwelt einen Felsblock
zum Gipfel eines Berges empor zu rollen , der ihm immer wieder kurz vor dem Ziel
in die Tiefe entgleitet.
Camus meint: “ Es gibt kein Schicksal , das nicht durch Verachtung
überwunden werden kann.” Indem Sisyphus die Götter verachtet ,
wächst er über sie hinaus.
- Ohne Gott ein Heiliger sein
Das Leitsymbol des Sisyphus wird auch im Roman “ Die Pest”
(1947) durch den Arzt Dr. Rieux verkörpert. Darin versucht der Arzt in
unermüdlichem Einsatz, so viele Menschenleben wie möglich zu retten.
Der Roman ist ein Gleichnis! Die Pest versinnbildlicht das Böse, das
unausrottbar ist. Es ist wichtig, das man gegen es ankämpft und sich nicht
damit abfindet.
- Mein ganzes Reich ist von dieser Welt
Im Drama “ Die Gerechten”(1949) lehnt ein russischer
Revolutionär seine Begnadigung ab weil er sich alleine richten und alleine
retten will. Er lehnt daher auch das Gebet ab und wird dort hingelangen, wo
seine geliebten Brüder auf ihn warten. “Beten hieße, sie
verraten.”
7. DIE ABLEHNUNG GOTTES IM NAMEN DER
LEIDENDEN KREATUR
Bei einer Meinungsumfrage im Jahre 1967 wurden folgende Gründe
angegeben, warum man nicht mehr an Gott glauben könne:
- “Wenn ich an den Ersten und Zweiten Weltkrieg denke, dann vergeht mir
der Gottesglaube.”
- “Gott hat mich zu oft enttäuscht und alleingelassen.”
- “Weil ich gelähmt bin und noch viele traurige Gelähmte sehen
werde”.
- Wenn es einen Gott gäbe , wäre nicht so viel Unheil auf
Erden.”
- “Die Kirche selbst ist gottlos.”
- “Die Vertreter Gottes auf Erden sind zu feige ( Drittes
Reich).”
Der Einspruch gegen Gott im Namen des Leides ist die häufigste Form
des Atheismus, der man heute begegnet. Er wird vor allem in der modernen
Literatur und Dichtung vertreten.
- Kurt Tucholsky
(1890-1935): Kopf ab zum Gebet
Der Berliner Journalist bekennt sich
ähnlich wie andere Atheisten zu Jesus von Nazareth. Jesus ist für
Tucholsky der “ große Revolutionär”
Er sagt es kann keinen Gott geben, der es zuläßt, daß
sich Menschen gegenseitig abschlachten und der Völker gegeneinander in den
Krieg hetzt. Tucholsky ist Pazifist (“ Nie wieder Krieg”).
- Elie Wiesel :
Gott als launischer Tyrann
Der Jude Elie Wiesel (geb.1929) wird als 14jähriger in einem
Viehwaggon nach Ausschwitz gebracht. Er schrieb in den Erinnerungen an seine
KZ-Zeit:
“Ich hatte zu beten aufgehört. Ich leugnete zwar nicht Gottes
Existenz, zweifelte aber an seiner Gerechtigkeit.”
Gott ist laut Wiesel, ein launischer Tyrann, der die Kinder quält.
Der Mensch ist sein Lieblingsspielzeug, das ihn zum Lachen bringen soll.
Am Anfang war weder das Wort noch die Liebe, sondern das Lachen
Gottes.